
Empfohlene Definition
Was ist Rassismus?
Rassismus ist kein Randphänomen und kein Relikt der Vergangenheit. Für viele Menschen in Deutschland ist er bittere Realität – ein alltäglicher Begleiter, der ihr Leben prägt. Ob in der Schule, am Arbeitsplatz, bei der Wohnungssuche oder in Behörden – rassistische Diskriminierung und Ausgrenzung sind für viele Mitmenschen keine Ausnahme, sondern die Regel.
Um eine fundierte Grundlage für den Umgang mit Rassismus zu schaffen, hat die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration sowie für Antirassismus, Staatsministerin Reem Alabali-Radovan, im Juni 2023 den Expert*innenrat Antirassismus ins Leben gerufen. Zwölf renommierte Fachleute aus Wissenschaft, Verwaltung und Praxis erarbeiteten eine umfassende Arbeitsdefinition von Rassismus sowie konkrete Handlungsempfehlungen für eine nachhaltige Antirassismusstrategie.
„Rassismus basiert auf einer historisch gewachsenen Einteilung und Kategorisierung von Menschen anhand bestimmter äußerlicher Merkmale oder aufgrund einer tatsächlichen oder vermeintlichen Kultur, Abstammung, ethnischen oder nationalen Herkunft oder Religion (Essentialisierung und Naturalisierung). Bestimmte Merkmale werden diesen Gruppen zugeschrieben (Homogenisierung), die sie und die ihnen zugeordneten Personen als höher- oder minderwertig charakterisieren (Hierarchisierung). Die als minderwertig kategorisierten Gruppen werden herabgewürdigt und auf der Grundlage von negativen Stereotypen und Vorurteilen abgewertet. Die Zuordnung von Menschen zu einer bestimmten Gruppe führt zu einer gesellschaftlichen Wahrnehmung von ihnen als ‚zugehörig‘ bzw. ‚fremd‘ oder ‚nicht zugehörig‘ zu Deutschland, was wiederum zu ausgrenzenden Praktiken und Erfahrungen führt (Dichotomisierung).“
Expert*innenrat Antirassismus 2025
Diese Mechanismen führen zu Diskriminierung, Ausgrenzung und Benachteiligung in allen gesellschaftlichen Bereichen. Rassismus äußert sich nicht nur in individuellen Vorurteilen oder Gewaltakten, sondern auch in institutionellen und strukturellen Mechanismen.
Drei Formen von Rassismus: Unterschiede auf einen Blick
1. Individueller Rassismus
- Persönliche Überzeugungen, Vorurteile und Handlungen einzelner Personen.
- Beispiele: Beleidigungen, rassistische Witze, körperliche Angriffe, offene Diskriminierung.
- Kann bewusst (z. B. Hassverbrechen) oder unbewusst (z. B. unreflektierte Vorurteile) geschehen.
2. Struktureller Rassismus
- In gesellschaftlichen Systemen verankert; führt zu systematischer Benachteiligung bestimmter Gruppen.
- Beispiele: Ungleiche Bildungschancen, Benachteiligung auf dem Wohnungsmarkt, höhere Arbeitslosigkeit für marginalisierte Gruppen.
- Entsteht oft unbewusst durch historisch gewachsene Ungleichheiten.
3. Institutioneller Rassismus
- In Regeln, Gesetzen, Vorschriften und Routinen von Organisationen und Behörden verankert.
- Beispiele: Polizeikontrollen, die überproportional häufig Menschen bestimmter ethnischer Gruppen betreffen (z. B. durch „racial profiling“), diskriminierende Bewerbungsverfahren.
- Ist oft nicht absichtlich, hat aber diskriminierende Auswirkungen.
Überholte Theorien, fortbestehende Denkmuster
Die Ursprünge des Rassismus in Europa liegen insbesondere in der Annahme, dass Menschen in unterschiedliche „Rassen“ eingeteilt werden könnten – eine Vorstellung, die im Kolonialismus eine zentrale Rolle spielte und später im Nationalsozialismus auf grausame Weise zur politischen Doktrin wurde. Diese sogenannten „Rassentheorien“ dienten lange als Rechtfertigung für Unterdrückung, Versklavung und Völkermorde.
Heute ist wissenschaftlich eindeutig bewiesen, dass es keine biologischen „Menschenrassen“ gibt. Dennoch wirken die zugrunde liegenden Denkweisen weiter. Menschen verinnerlichen über Generationen hinweg rassistische Stereotype und Vorurteile, die sich in Sprache, gesellschaftlichen Strukturen und institutionellen Entscheidungen widerspiegeln. So kann Rassismus auch dann fortbestehen, wenn er nicht bewusst oder absichtlich ausgeübt wird – etwa durch diskriminierende Routinen oder ungleiche Zugangsmöglichkeiten zu gesellschaftlichen Ressourcen.
Gesetzliche Bestimmungen gegen Rassismus
- Artikel 3 des Grundgesetzes (GG): Dieser Artikel garantiert die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz und verbietet Benachteiligung oder Bevorzugung aufgrund von Merkmalen wie Herkunft, Glauben oder ethnischer Zugehörigkeit.
- Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG): Dieses Gesetz schützt vor Diskriminierung im Arbeitsleben und bei Alltagsgeschäften aufgrund verschiedener Merkmale, einschließlich rassistischer Gründe.
- Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form rassischer Diskriminierung (ICERD): Dieses internationale Abkommen verpflichtet Deutschland, Maßnahmen gegen Rassismus zu ergreifen. Deutschland ratifizierte das Übereinkommen 1969.
- Volksverhetzung (§ 130 Strafgesetzbuch – StGB): Dieser Paragraf stellt die Volksverhetzung unter Strafe, insbesondere wenn sie rassistische Motive enthält.
Doch trotz dieser Gesetze bestehen weiterhin Lücken in der Umsetzung. Viele Betroffene erleben alltäglichen Rassismus, der nicht immer juristisch verfolgt wird. Dies zeigt, dass rechtliche Regelungen allein nicht ausreichen – es braucht auch gesellschaftliches Bewusstsein und aktive Maßnahmen, um strukturellen Rassismus abzubauen.